| Rübermachen mit Gesang
Deckenpfronn: Stammchor des Liederkranzes rollt die Zeit der Wende musikalisch auf
" Stasi-Überwachung, Republikflucht und Montagsdemos - in Wort, Bild und Gesang ließ der Stammchor des Liederkranzes Deckenpfronn am Sonntag in der Zehntscheuer ein Stück deutsche Geschichte wieder aufleben. Unter dem Motto 25 Jahre deutsche Einheit"" stand das diesjährige Herbstkonzert. """
GB-Text: Nadine Dürr / GB-Foto: Schmidt
"Warum hat der Trabbi eine Heckscheibenheizung? - Damit man beim Schieben keine kalten Hände kriegt. Wolfgang Steidle und Fritz Scheurenbrand amüsieren sich bei einem Fläschchen einer sächsischen Bierspezialität königlich über die Unzulänglichkeiten der DDR - doch nicht lange. Denn eh man sichs versieht, tritt auch schon die dunkel bebrillte Staatssicherheit auf den Plan und führt die feindlich-negativen Störenfriede"" ab. """
"Kleine Schlaglichter auf den Alltag im Unrechtsstaat warf der Liederkranz mit derlei szenischen Darstellungen, um den Lauf der Geschichte rund um die Wende dann in musikalisches Kino"" zu übersetzen. Wie ließe sich das ""Rübermachen"" besser in Liedform fassen als mit dem Montanara-Chor-Stück ""Ziehe in die Welt""? Sandra Schneider verlieh dem Wanderlied mit ihrem Querflöten-Solo die darauf zugeschnittene Unbeschwertheit. Für den Kreml-Flug Mathias Rusts fand man ebenfalls eine musikalische Entsprechung: den Extrabreit-Hit ""Flieger, grüß mir die Sonne"". """
Die Wendehymne darf nicht fehlen
"Beherzt griff Dirigent Sergej Riasanow dabei in die Tasten seines diatonischen Akkordeons und überließ den Taktstock - eine Premiere für den Liederkranz - einer Frau, Inna Wecker, die ansonsten für die Klavierbegleitung zuständig war. Schließlich darf in einem Konzert zur deutschen Einheit auch die Wendehymne"" nicht fehlen: Mit ihrer Rockballade ""Wind of Change"", so heißt es, pfiffen die Scorpions einst die Mauer nieder. Für dieses epochale Stück Musikgeschichte fand der Liederkranz eine angemessene Form: Die junge Sängerschar der Formation CHORact unterstützte den Stammchor und lieferte so Extra-Klangvolumen, Peter Gröning steuerte das Gitarrensolo bei und Sergej Riasanow setzte das Publikum mit einem kleinen Riff auf seinem E-Akkordeon unter Strom. """
"Schließlich machten die Sänger auch noch in den ganz fernen Westen rüber: Mit vibrierenden Mundharmonika-Soli prägten Berthold Minak und Gerhard Schneider die mit Inbrunst vorgetragenen Amerikanischen Lieder"". Und was für ein Bild, als die Sänger vor der Kulisse einer mit Graffiti besprühten ""Berliner Mauer"" das Eurovisionslied anstimmten! Ein enthusiastisches Bekenntnis zur Einheit und zugleich einer von mehreren emotionalen Momenten des Konzerts. """
Selten sind die Gelegenheiten geworden, einen Männerchor zu hören. Doch nicht nur deshalb lohnte sich der Besuch des Liederkranz-Konzertes. Auf dynamische Ausdifferenziertheit legte der Chorleiter größten Wert, so dass die einzelnen Strophen eines Lieds je eine eigene Gestalt annahmen und nicht zu bloßen Wiederholungen gerieten. Zudem arbeitete man Leittöne gut hörbar heraus und achtete auf eine gute Artikulation.
Schön wars, manchmal hat man eine richtige Gänsehaut gehabt, hörte man Zuhörer in der Pause sagen. Dafür dürften auch die gesummten oder auf einen Vokal gesungenen Passagen verantwortlich sein, mit welchen Riasanow häufig arbeitete. Seine Zuhörer nahm der Chor so immer mit und ließ beizeiten auch die russische Herkunft seines Dirigenten durchklingen. Ob mit kraftvoller Stimme oder filigraner Geste - die Sänger transportierten in ihrem Gesang stets eine zugrundeliegende Leidenschaft, und das kam beim Publikum an.
"Da das Publikum den Stammchor so nach der gemeinsam angestimmten Nationalhymne partout nicht gehen lassen wollte, performte man als Zugabe den Schlager Ein Stern, der deinen Namen trägt"" """
"a cappella. Und als auch dann die Zugabe-Rufe nicht verstummten, zogen die Sänger eine deutsche Version des Filmhits The Rose"" aus dem Hut. Selbst in solchen Momenten nicht rührselig zu klingen, das gelingt nicht jedem Chor. Sergej Riasanow und seine Sänger jedoch meisterten auch dieses Kunststückchen."""
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